Freiflächen-PV in Halver – Nachhaltig nur mit gutem Konzept

Foto von Andreas Gücklhorn auf Unsplash
Foto von Andreas Gücklhorn auf Unsplash

Erneuerbare Energien spielen bei der Stromerzeugung in Deutschland eine immer größere Rolle: Ihr Anteil am gesamten erzeugten Strom stieg 2023 auf 56 Prozent. Für die Umstellung aller energieintensiven Prozesse auf grünen Strom aber reicht das noch lange nicht aus. Wir brauchen mehr Energie aus Wind- und Sonnenkraft, um unsere Klimaziele zu erreichen und deshalb auch in Halver neben mehreren Windrädern ausreichend Freiflächen-Photovoltaikanlagen.

Halver kann durch ein kommunales gesamträumliches Konzept den Ausbau von Freiflächen-PV selbst gestalten – wenn die Verantwortlichen denn wollen

Die Errichtung von Freiflächen-PV-Anlagen will gut durchdacht sein, denn sie stellen zweifelsohne eine neue Flächennutzungsform dar, die den Wettbewerb um die kostbare Ressource Land verschärft. Die gute Nachricht für alle Halveraner:innen aber ist: Unsere Kommune muss nicht kopflos handeln. Im Gegenteil: Sie kann Investoren Planungssicherheit und attraktive Flächen bieten, indem sie ein überlegtes kommunalen Freiflächen-PV-Konzept entwickelt.

Wie das geht, zeigen Gemeinden wie das niedersächsische Edewecht. Diese hat sich im Rahmen ihres Klimaschutzkonzeptes das Ziel gesetzt, das Gemeindegebiet bis zum Jahr 2030 bilanziell zu 100 Prozent mit Strom aus lokalen Erneuerbaren Energien zu versorgen. Dafür hatte die Verwaltung ein gesamträumliches Konzept in Auftrag gegeben, welches die geeignetsten und raumverträglichsten Standorte für Freiflächen-Photovoltaik im Gemeindegebiet identifizierte. Ziel des Konzeptes war es, schutzwürdige Belange umfassend zur berücksichtigen und die Entwicklung von Freiflächen-PV im Sinne einer nachhaltigen und geordneten städtebaulichen Entwicklung auf möglichst konfliktarme Standorte zu lenken. (Das Ergebnis gibt es hier)

Halver kann das auch gelingen, wenn sich Stadtverwaltung und Stadtrat die Mühe machen, gemeinsam die wichtigsten Leitfragen einer solchen Konzeptentwicklung zu beantworten.

Frage 1: Auf welchen Halveraner Grünland- und Ackerflächen wäre der Bau einer Freiflächen-PV-Anlage aus naturschutzrechtlichen, raumordnungsrechtlichen oder sonstigen Gründen unzulässig?

Eine solche Analyse hat die Stadtverwaltung bereits vorgenommen. Entsprechendes Kartenmaterial liegt vor. Wir wissen, welches die raumverträglichen Potenzialflächen sind.

Frage 2: Welche dieser Potenzialflächen liegen so sonnengünstig, dass sie die Errichtung von Solarstrom-Anlagen erlauben?

Auch diese Frage lässt sich mithilfe einer geodatenbasierten Analyse beantworten – unseres Wissens aber gibt es dazu noch keine aussagekräftigen Unterlagen.

Frage 3: Wie stellen wir sicher, dass hochwertige Acker- und Grünlandflächen in der landwirtschaftlichen Nutzung bleiben können?

Sinnvoll ist es, landwirtschaftlich wertvolle Flächen vor einer Inanspruchnahme zu schützen – etwa durch die Festlegung eines Grenzwertes bei der Bodenwertzahl. Flächen, deren Bodenwertzahl diesen Grenzwert übersteigt, wären vom Freiflächen-PV-Ausbau ausgeschlossen. Um diesen Grenzwert (maximale Bodenwertzahl) festzulegen, bedarf es intensiver Gespräche mit Halvers Landwirt:innen. Außerdem muss analysiert werden, welche Bodenwertzahlen die sonnengünstigen Potenzialflächen Halvers haben. Am Ende werden alle Beteiligten einen Kompromiss finden müssen, der Freiflächen-PV ermöglicht, ohne die Existenzen landwirtschaftlicher Betriebe zu gefährden.

Frage 4: Welche Gesamtfläche wollen wir für den Bau von Freiflächen-PV-Anlagen reservieren?

Von circa 16 Millionen Hektar landwirtschaftlicher Fläche in Deutschland sollen bis zu 180.000 Hektar ­– also circa 1 Prozent dieser Fläche – für den Aufbau von Freiflächen PV–Anlagen bzw. Solarthermie umgewidmet werden. Auf Halver heruntergerechnet bleiben am Ende vermutlich 30 bis 35 Hektar, um die notwendige Menge an Solarstrom aus Freiflächen-PV zu generieren, die Halver braucht, um seinen Anteil an der Energiewende zu leisten. Sollten wir mehr wollen oder benötigen, um zum Beispiel als Kommune schneller klimaneutral zu werden, müsste der Stadtrat die Flächenvorgabe entsprechend erhöhen.

Frage 5: Welche Umweltauflagen wollen wir für den Bau und Betrieb möglicher Freiflächen-PV-Anlagen machen?

Nach Aussage des BUND, wurden PV-Freiflächenanlagen bisher meist ohne besondere Beachtung des Artenschutzes errichtet, die Fläche unter den Modulen nur mit Gras eingesät beziehungsweise gemulcht. Photovoltaik-Freiflächenanlagen können demgegenüber bei richtiger Planung und Pflege einen zusätzlichen Gewinn für die Biodiversität bedeuten und damit wertvolle Trittsteine in der offenen Agrarlandschaft und Elemente eines Biotopverbundes sein.

Es können je nach Boden und Landschaft sehr verschiedene Arten von Naturschutzkonzepten verfolgt werden, z. B. durch Einrichtung und Schutz von Trockenrasen oder Mähwiesen und durch Maßnahmen zur Förderung von Amphibien und Reptilien. Außerdem sollten „Fenster“ als freigelassene Flächenanteile in der Anlage vorgesehen sein zur Förderung von Bodenbrütern.

Als Auflagen für Investoren und Projektierer wären unter anderem folgende Punkte denkbar:

  • Verbot von Beton-Fundamenten
  • Verbot eines Einsatzes von Glyphosat und anderen Pestiziden und Insektiziden
  • Einzäunung der Anlage mit Zaunmodulen, die Rehen und anderen Wildtieren das Wandern erlauben. Auf Einsatz von Stacheldraht im bodennahen Bereich muss verzichtet werden. Einige bedrohte Vogelarten (Feldlerche und Braunkehlchen) nehmen die wertvollen, störungsarmen Lebensräume als Brutplatz gerne an.
  • Installation der Modulreihen auf eine Art, die eine ausreichende Versickerung der Niederschläge sicher (z. B. durch eine Begrenzung der Tiefe der Modulreihen auf maximal 6,5 Meter, größere Abstände zu den nächsten Modulreihen, breite Montagefugen zwischen den Modulen)
  • Niederschläge sollten generell in der Fläche verbleiben. Standortbezogen könnte sich in diesem Zusammenhang die Anlage eines Feuchtbiotops anbieten.
  • Außerhalb der Einzäunung der Anlage könnte ein standortabhängiger ca. 3 m breiter Grünstreifen mit naturnah gestaltetem Heckenbewuchs aus einheimischen Arten als Biotop und Sichtschutz vorgesehen werden, falls nicht spezielle Anforderungen geschützter Tierarten (z. B. Feldlerche) entgegenstehen.
  • Für einige Arten wie zum Beispiel Zauneidechse, Steinschmätzer, Kreuzkröte und diverse Insekten wird eine PV-FFA zu einem nutzbaren Lebensraum, wenn sich zusätzliche Strukturen und Offenbereiche innerhalb der Anlage befinden. Dazu könnten neben Hecken auch Steinhaufen, Rohbodenstellen, Totholz oder im Einzelfall Kleingewässer gehören
  • Rückbau-Garantie nach Ende der Betriebszeit

Ein Teil des finanziellen Ertrags der Solaranlagen muss dem dauerhaften Schutz sowie der Pflege und Sicherung der Biodiversitäts-Fläche unter und zwischen den Solarmodulen dienen. Der naturschutzfachliche Ausgleich muss durch Festsetzung in der Bauleitplanung prioritär auf der PV-Freilandfläche erfolgen.

Frage 6: Wie bekommen wir außerdem viel mehr Solarmodule auf Halvers Dächer?

Aufgrund des hohen Flächenverbrauchs kann Freiflächen-PV eine untergeordnete Rolle bei der Erzeugung von Energie aus erneuerbaren Quellen spielen. Priorität muss der PV-Ausbau auf und an Gebäuden und versiegelten Flächen haben – insbesondere in Halver, das als Kommune noch enormen Nachholbedarf in Sachen Dach-PV hat. Großes Potential böten zum Beispiel die Dachflächen des Fachmarktzentrums sowie der große Parkplatz, der mit Freiflächen-PV überdacht werden könnte.