Ohne Klimaschutz hat unser Wald keine Zukunft

Mit den Fichtenwäldern im Märkischen Kreis stirbt derzeit nicht nur der bedeutendste Kohlenstoffspeicher unserer Region. Wir verlieren gleichzeitig auch eine unserer beliebtesten Sportstätten, einen wichtigen Wirtschaftsfaktor sowie unseren Schutzschild gegen Stürme und Hitze, sagte Jörn Hevendehl, Leiter des Regionalforstamtes Märkisches Sauerland am 23. Juli 2020 auf einer öffentlichen Informationsveranstaltung zur Zukunft des Waldes im Halveraner Kulturbahnhof.

Der Forstexperte war an diesem Abend einer Einladung von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Halver gefolgt und präsentierte den mehr als 40 interessierten Zuhörer*innen sehr nachdenklich stimmende Zahlen und Fakten zum Waldsterben. In den vergangenen drei Jahren sind bereits 20 Prozent des märkischen Nadelwaldes den Borkenkäfern zum Opfer gefallen. Während es im Nordkreis bereits keine Fichten mehr gibt, müssen in den verbliebenen Fichtenbeständen derzeit achtmal mehr Bäume gefällt werden, als Waldbauern, Forstbetriebe und Sägewerke überhaupt verarbeiten können. Hoffnung auf Rettung gibt es einzig und allein noch für die etwas höher gelegenen Fichtenwälder im  Süden des Kreises.

 

Jörn Hevendehl hatte lebende Larven des Borkenkäfers dabei. © S. Löschke

Schuld an dieser Misere aber sind nach Meinung Jörn Hevendehls nicht die Käfer, sondern wir Menschen: „Der Borkenkäfer nutzt auf gnadenlose Weise die veränderten Rahmenbedingungen, welche durch den menschengemachten Klimawandel entstanden sind“, sagte er. Zur Untermauerung dieser These erläuterte der Fachmann, wie sich im Märkischen Kreis die für den Wald wichtigsten Klimaparameter in den

zurückliegenden 40 Jahren verändert haben. Während die Durchschnittstemperatur in der Vegetationsphase (April bis Oktober) um 2,5 Grad Celsius gestiegen ist, hat die Niederschlagsmenge im selben Zeitraum aufgrund extremer Wetterlagen um fast 20 Prozent abgenommen. „Wasser ist das Benzin der Pflanzen. Ist der Tank nicht voll, wächst der Baum nicht – und wenn wir uns die aktuellen Bodenfeuchte-Werte anschauen, dann ist der Tank längst auf Reserve“, fasste Jörn Hevendehl die Entwicklung in einfachen Worten zusammen.

Als Flachwurzler sind Fichten nicht in der Lage, Wasserspeicher in tieferen Bodenschichten anzuzapfen. Bei langanhaltender Trockenheit fehlt ihnen deshalb schnell die Energie, um sich gegen Hitzestress und Schädlinge zu wehren. „Einen Käferbefall, wie wir ihn in diesem Jahr beobachten, hat es im Märkischen Kreis noch nicht gegeben. Nach dem sauren Regen in den 1980er Jahren erlebt Deutschland gerade das Waldsterben 2.0“, so der Experte.

Der Wald der Zukunft heißt vier plus X

Wie aber können wir unsere Wälder retten oder zumindest fitmachen für die Zukunft? Indem wir zu allererst die globale Erwärmung stoppen. Der Klimawandel sei der alles entscheidende Faktor, betonte der Förster. Waldbauern empfahl er, den Umbau ihrer Wirtschaftswälder von der Monokultur zum Mischwald vorantreiben. „Die jetzt entstehenden Kahlschlagflächen sollten mit mindestens vier verschiedenen Baumarten wiederaufgeforstet werden, im Idealfall sogar mit mehr“, sagte Jörn Hevendehl. „Vier plus X“ nennen Forstleute diesen Ansatz.

Für die Neupflanzungen schlägt der Fachmann stressresistentere Arten wie Douglasie und Esskastanie vor. Sie könnten mit Buchen gemischt werden. Ob diese Wälder jedoch auch in 50 bis 80 Jahren noch in der Lage sein werden, den Folgen des fortschreitenden Klimawandels zu trotzen, bleibt fraglich – und liegt letztendlich in den Händen der Menschheit. „Der Umbau und Schutz des Waldes sind eine Gemeinwohlsaufgabe. Im Moment aber interessieren sich die meisten Menschen kaum für dieses Thema, weil sie nicht direkt betroffen sind“, sagte der Förster. Stattdessen verhielten wir uns eher wie die Borkenkäfer. „Die Insekten fressen bis zum letzten Baum – und sterben dann.“ Grund genug für uns Grüne, uns jetzt und in Zukunft für den Klima- und Waldschutz einzusetzen.

Titelfoto: S. Löschke